Greife nie in ein fallendes Messer: Psychologie und Risiko am Aktienmarkt – Letztens stieß ich wieder auf eine alte Börsenweisheit, die mich zum Nachdenken brachte: „Greife nie in ein fallendes Messer.“
Dieser Satz wirkt hart, fast bedrohlich, doch er beschreibt eine zentrale Erkenntnis im Aktienhandel und in der Börsenpsychologie.
Doch warum raten erfahrene Investoren dazu, nicht in eine Aktie zu investieren, die sich im freien Fall befindet? Und welche psychologischen Fallstricke verbergen sich dahinter?
Diese Frage lohnt sich, insbesondere für uns Psychologie-Interessierte, weil sie viel über menschliches Verhalten und den Umgang mit Verlusten im Börsenumfeld aussagt.
Schauen wir uns also genauer an, was hinter diesem „fallenden Messer“ steckt und warum wir dazu neigen, es trotzdem aufzufangen.
Was bedeutet „Greife nie in ein fallendes Messer“?
Zunächst einmal zur Bedeutung: Wenn eine Aktie rapide an Wert verliert, spricht man im Börsenjargon von einem „fallenden Messer“ (Never catch a falling knife!).
Die Metapher ist einfach, aber eindringlich: Greift man in ein fallendes Messer, verletzt man sich.
Übertragen auf den Aktienmarkt heißt das: Wer in einen stark fallenden Kurs investiert, riskiert schmerzhafte Verluste, wenn der Kurs weiter sinkt.
Doch warum genau greifen Anleger trotzdem oft in fallende Messer? Hier kommen verschiedene psychologische Phänomene ins Spiel, die uns dazu verleiten, in solchen Momenten eine Entscheidung zu treffen, die rational betrachtet riskant und oft irrational ist.
Siehe dazu auch: Buy the Dip!
Die Psychologie hinter dem „fallenden Messer“
1. Verlustaversion: Die Angst vor Verlusten
Einer der Hauptgründe, warum wir in fallende Messer greifen, ist die Verlustaversion. Menschen empfinden Verluste als doppelt so schmerzhaft wie Gewinne als angenehm. Das bedeutet, dass wir eher bereit sind, ein Risiko einzugehen, um einen Verlust „wiedergutzumachen“, als ein rationales Urteil zu fällen.
Wenn eine Aktie, die wir halten, plötzlich stark an Wert verliert, entsteht schnell der Impuls, nachzukaufen, um die Verluste zu reduzieren, sobald sich der Kurs wieder erholt.
Die Verlustaversion ist tief in unserem Verhalten verwurzelt und oft schwer zu überwinden. Das Problem dabei ist, dass viele Anleger dabei vergessen, den realen Grund für den Kursverlust zu hinterfragen.
In vielen Fällen sinkt der Kurs weiter, weil fundamentale Probleme vorliegen, die nicht einfach verschwinden. Deshalb: Greife nie in ein fallendes Messer!
2. Ankereffekt: Der Einfluss vergangener Höchstkurse
Ein weiterer psychologischer Fallstrick ist der Ankereffekt. Unser Gehirn neigt dazu, sich an bestimmten Informationen – sogenannten „Ankern“ – festzuhalten.
Wenn wir wissen, dass eine Aktie vor Kurzem noch bei einem viel höheren Kurs gehandelt wurde, neigen wir dazu, diesen Höchststand als Referenzwert zu betrachten. Der Gedanke „Die Aktie wird bestimmt bald wieder ihren alten Wert erreichen“ kann gefährlich sein, da er oft unrealistische Erwartungen weckt. Siehe dazu auch: Levermann Strategie.
Dieser Ankereffekt kann uns dazu verleiten, zu glauben, dass der Kursverfall nur eine „Überreaktion“ des Marktes ist. In Wirklichkeit kann der Kurs jedoch weiter fallen, wenn das Vertrauen in das Unternehmen schwindet oder fundamentale Probleme bestehen.
3. FOMO: Die Angst, eine Gelegenheit zu verpassen
Die Fear of Missing Out (FOMO) – also die Angst, eine Gelegenheit zu verpassen – spielt ebenfalls eine Rolle. Sobald eine Aktie stark fällt, entsteht manchmal das Gefühl, jetzt könnte ein „Schnäppchen“ warten, das man sich nicht entgehen lassen darf.
Besonders in Phasen, in denen andere Anleger vermeintlich „nachkaufen“, kann das Gefühl der Dringlichkeit verstärkt werden. Dieser soziale Druck, kombiniert mit FOMO, führt oft zu überstürzten Entscheidungen.
Die Realität ist jedoch, dass solche Kursverluste oft kein einmaliges Schnäppchen sind, sondern Teil eines längeren Abwärtstrends. Wenn die fundamentalen Daten eines Unternehmens schwach sind, wird das Aufspringen auf den fallenden Kurs selten zu schnellen Gewinnen führen.
Die Bedeutung von Geduld und Analyse
Was können wir aus dem Sprichwort „Greife nie in ein fallendes Messer“ lernen? Vor allem Geduld und die Wichtigkeit einer fundierten Analyse.
Bevor du in eine Aktie investierst, deren Kurs stark gefallen ist, solltest du genau hinterfragen, warum der Kurs gefallen ist. Liegt ein allgemeiner Markttrend vor, oder sind es spezifische Probleme des Unternehmens?
Sind die Fundamentaldaten – wie Umsatzwachstum, Gewinnmargen und Verschuldung – intakt? Diese Fragen können dir helfen, eine objektivere Entscheidung zu treffen.
Fachbegriffe und wichtige Konzepte – zur Vermeidung des Fehlgriff’s ins fallende Messer
- Fundamentalanalyse: Eine Methode, um den inneren Wert einer Aktie zu ermitteln, basierend auf Geschäftskennzahlen wie Umsatz, Gewinn und Marktstellung. Wenn die Fundamentalanalyse Schwächen im Unternehmen aufzeigt, könnte ein fallender Kurs berechtigt sein.
- Marktvolatilität: Schwankungen im Markt, die oft zu kurzfristigen Kursverlusten führen. Nicht jeder Kursverlust ist gleichbedeutend mit einem fundamentalen Problem. Manchmal ist es nur die allgemeine Volatilität, die den Kurs bewegt.
- Risikomanagement: Die Fähigkeit, Risiken bewusst zu managen und Verluste zu minimieren. Ein wichtiger Aspekt ist, klare Regeln zu setzen, wann man aussteigt oder eben gar nicht erst investiert.
Ein Appell an die Rationalität der Börsenweisheit “Never catch a falling knife”!
Die Börsenpsychologie zeigt uns, wie schnell Emotionen die Oberhand gewinnen können, wenn es um finanzielle Entscheidungen geht.
Das Zitat „Greife nie in ein fallendes Messer“ ist eine Erinnerung daran, die Emotionen zu zügeln und sich auf die fundamentalen Daten und Fakten zu konzentrieren. Es braucht Disziplin und Geduld, um nicht in die Falle der Verlustaversion, des Ankereffekts oder von FOMO zu geraten.
Wenn du das nächste Mal eine Aktie siehst, die stark gefallen ist, denke daran, dass es oft besser ist, die Situation aus sicherer Distanz zu beobachten. Oder informiere dich vorher gründlich: Aktienwissen!
In manchen Fällen lohnt es sich, das Messer am Boden liegenzulassen und erst dann nachzudenken, ob ein Einstieg sinnvoll ist.
In diesem Sinne …
Aufsteigende Kurse und klare Gedanken!
Andreas Herrmann
Dein Aktienmentor & Börsenpsychologe
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Wichtiger Hinweis: Dieser Beitrag spiegelt die Erfahrungen und Meinungen des Autors wider und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder inhaltliche Richtigkeit. Die hier präsentierten Informationen dienen ausschließlich der allgemeinen Information und sind keine Anlageempfehlung oder Beratung. Bitte bedenke, dass bei Investitionen immer ein Risiko besteht und du dein gesamtes eingesetztes Kapital verlieren kannst.