Wie ich auf Benjamin Graham aufmerksam wurde und was ich daraus für den Aktienmarkt gelernt habe
Ich kann mich noch gut daran erinnern, als ich das erste Mal von Benjamin Graham hörte. “Intelligent investieren” … “Die Geheimnisse der Wertpapieranalyse”. Graham – der Mann, der Warren Buffett das Investieren beibrachte und mit seinem Buch The Intelligent Investor eine ganze Generation von Anlegern inspirierte.
Mich faszinierte die Art und Weise, wie er die Börse und den Aktienhandel verstand. Die Vorstellung, dass es nicht nur um Zahlen und schnelle Gewinne geht, sondern um die Kunst des geduldigen, klugen Investierens.
Heute möchte ich euch meine Gedanken zu Grahams Grundprinzipien mitteilen und euch ein wenig Einblick in die psychologische Seite des Investierens geben – ohne natürlich eine Empfehlung oder Beratung auszusprechen.
Jeder sollte seine Entscheidungen selbst und gut überlegt treffen, denn an der Börse kann alles passieren.
1. Investiere in Unternehmen, nicht in Aktien
Graham lehrte, dass Aktien mehr sind als nur Preisschwankungen. Sie sind Anteile an echten Unternehmen, mit echten Menschen, Produkten und Dienstleistungen dahinter.
Wenn ich mich entscheide, in eine Aktie zu investieren, frage ich mich: Würde ich dieses Unternehmen besitzen wollen?
Denn eine Aktie ist für mich mehr als eine Möglichkeit, Geld zu verdienen; sie ist ein Anteil an etwas Größerem. Wenn man so denkt, wird man weniger anfällig für kurzfristige Kursschwankungen.
Psychologische Erkenntnis: Wer Aktien als Unternehmensanteile sieht, entwickelt eine größere Gelassenheit. Man investiert in eine Idee, eine Vision – und nicht in den schnellen Gewinn.
2. Den Markt zu timen ist keine Strategie
Einer der größten Fehler, den Anleger machen können, ist zu versuchen, den perfekten Zeitpunkt für Kauf und Verkauf zu finden. Graham rät davon ab. Märkte schwanken, und die Versuchung, “oben zu verkaufen” oder “unten zu kaufen”, kann oft in Frustration enden.
Langfristiges Denken ist der Schlüssel. Anstatt täglich auf die Kurse zu schauen, konzentriere ich mich darauf, Unternehmen zu finden, an die ich langfristig glaube.
Psychologische Erkenntnis: Der Drang, den „perfekten“ Moment zu finden, basiert oft auf der Angst, etwas zu verpassen (FOMO). Hier ist Geduld der beste Freund eines Anlegers.
3. Langfristige Perspektive statt Schnellschüsse
Graham glaubte an das langfristige Investieren. In einer Zeit, in der schnelle Gewinne und das hektische Handeln an der Tagesordnung sind, bleibt diese Philosophie zeitlos.
Kursschwankungen sind normal, und Verluste gehören dazu. Doch wer über einen langen Zeitraum investiert, hat oft eine viel höhere Chance auf Erfolg.
Psychologische Erkenntnis: Geduld ist eine Tugend, die sich auszahlt. Es ist beruhigend zu wissen, dass man auch mal Verluste aushalten kann, wenn man ein langfristiges Ziel verfolgt.
4. Mr.-Market-Analogie
Graham nutzt die Analogie von „Mr. Market“, um die irrationale Natur des Aktienmarkts zu erklären. Mr. Market ist mal euphorisch (Buy the Dip), mal depressiv, und er bietet uns ständig Kauf- und Verkaufsmöglichkeiten an.
Die Kunst besteht darin, Mr. Market nicht zu ernst zu nehmen und bei Entscheidungen rational zu bleiben.
Psychologische Erkenntnis: Diese Analogie erinnert daran, dass man sich von der Stimmung des Marktes nicht beeinflussen lassen sollte. Emotionen sind der größte Feind des Anlegers.
5. Defensive und unternehmerische Investoren
Graham unterschied zwischen defensiven und unternehmerischen Investoren. Der defensive Investor sucht sichere, stabile Anlagen und schützt sein Kapital, während der unternehmerische Investor aktiv nach Chancen sucht und bereit ist, mehr Risiko einzugehen.
Ich selbst sehe mich irgendwo dazwischen – einerseits defensiv und vorsichtig, andererseits neugierig und offen für Gelegenheiten.
Psychologische Erkenntnis: Die Entscheidung für eine Strategie hängt oft von der eigenen Persönlichkeit ab. Je besser man sich kennt, desto klarer wird, welche Strategie passt.
6. Der innere Wert und die Sicherheitsmarge
Der innere Wert (Intrinsic Value) eines Unternehmens ist für Graham das Fundament des Investierens.
Der Kaufpreis sollte möglichst deutlich unter diesem Wert liegen – das schafft eine Sicherheitsmarge. Diese Sicherheitsmarge hilft, das Risiko zu minimieren und trotzdem Potenzial für Gewinne zu schaffen.
Psychologische Erkenntnis: Diese Strategie stärkt das Vertrauen in die eigenen Entscheidungen und mindert die Angst vor Verlusten, da man mit einem „Puffer“ investiert.
7. Diversifikation als Schutz vor Risiken
Graham betont, wie wichtig es ist, das Risiko durch Diversifikation zu minimieren.
Statt alles auf eine Karte zu setzen, verteile ich meine Investitionen auf verschiedene Unternehmen, Branchen und Märkte. So kann ich Verluste in einem Bereich mit Gewinnen in einem anderen ausgleichen.
Psychologische Erkenntnis: Diversifikation reduziert das Klumpenrisiko und hilft, in schwierigen Marktphasen ruhig zu bleiben.
8. Bleib im Kreis deiner Kompetenz
Graham sprach oft vom „Circle of Competence“. Investiere nur in das, was du verstehst.
Das hat mich dazu inspiriert, nur in Branchen und Unternehmen zu investieren, die ich wirklich durchblicke. Alles andere bleibt außen vor – so kann ich fundiertere Entscheidungen treffen.
Psychologische Erkenntnis: Wenn man weiß, was man tut, ist die Angst vor Verlusten geringer. Man agiert sicherer und trifft informierte Entscheidungen.
9. Ständiges Lernen als Grundlage für Erfolg
Investieren ist ein fortlaufender Lernprozess. Ich selbst lese regelmäßig über Märkte, analysiere Unternehmen (Aktienwissen) und lerne aus meinen Fehlern.
Diese kontinuierliche Bildung hält mich auf dem Laufenden und gibt mir das Vertrauen, auch in unsicheren Zeiten kluge Entscheidungen zu treffen.
Psychologische Erkenntnis: Der Wille zum Lernen schafft nicht nur Wissen, sondern stärkt das Selbstbewusstsein und die Gelassenheit im Umgang mit Marktveränderungen.
Zum Abschluss möchte ich sagen: Diese Grundsätze von Benjamin Graham haben mir eine vollkommen neue Sicht auf das Investieren gegeben.
Sie sind einfach, aber wirkungsvoll – und sie helfen mir, rational und bedacht zu handeln, auch wenn die Märkte verrückt spielen.
Doch noch einmal: Dies ist keine Anlageempfehlung und keine Beratung. Es sind lediglich die Erfahrungen und Überlegungen eines Investors, der sich stets weiterentwickelt und kontinuierlich dazu lernt.
In diesem Sinne …
Aufsteigende Kurse und klare Gedanken!
Andreas Herrmann
Dein Aktienmentor und Börsenpsychologe
Wichtiger Hinweis: Dieser Beitrag spiegelt die Erfahrungen und Meinungen des Autors wider und erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit oder inhaltliche Richtigkeit. Die hier präsentierten Informationen dienen ausschließlich der allgemeinen Information und stellen keine spezifische Empfehlung dar. Jede Investition birgt Risiken, und der Leser sollte stets bedenken, dass er sein eingesetztes Kapital vollständig verlieren kann.
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